



Schickerweise begab es sich aber zu der Zeit, zu der im Musikbusiness gerne mal die Dornbüsche durch den Kalender rollen, daß eine Idee, eine Location und die richtigen Heiligen zusammenkamen, um eine Konzertreihe aus der Taufe zu heben.
Auch in der zweiten Jahreshälfte gibt es ein paar Gigs, auf die ich mich besonders freue – weil sie mit Leuten spielen kann, die ich nicht oft sehe, mit denen ich noch seltener spiele und die ich sehr bewundere. Los geht es am 7.8. in Waldmünchen mit der wunderbaren Schweizer Sängerin Britta T und Ihrer exquisiten Band. Wenn das kein ordentlicher Auftakt ist! Am 14.8. kann ich in Eging am See in einer Besetzung mitwirken, die wirklich einzigartig ist: Mit Uli Jenne, W
olfgang Göhringer und Willie Brian Jones werden wir ein Fass aufmachen – oder mehrere. Ich freue mir jetzt schon Löcher in den Bauch. Desgleichen über diesen Gig: am 11.11. in Erlangen im Strohalm mit dem großartigen österreichischen Gitarristen und Fingerstylevirtuosen Christoph Schellhorn. (Foto Christian Mey) Und last, aber sicher not least: Das jährliche Festival für Chris Jones in Wolfenbüttel am 13. und 14.11., das die Wahnsinnigen vom Bluenote e.V. ausrichten – voraussichtlich mit Wulli & Sonja und dem Wilden Pilger. Für mich hat die zweite Jahreshälfte also vier mal Weihnachten – das wird ein Fest! Sorry, vier Feste!
Den ganzen März spielte sich mein musikalisches Wirken erheblich tiefer ab als üblich. Nein, ich bin natürlich nicht ins Lager der Bassisten desertiert. Vielmehr hatte ich das ausgesprochene Vergnügen, vierzehn Vorstellungen von Monty Pythons “Spamalot” aus dem Orchestergraben heraus begleiten zu dürfen. Und ein Vergnügen war es wahrlich auf mehreren Ebenen. Es war ein Vergnügen, mit der überaus netten und sakrisch kompetenten Band zu spielen. Es war ein Vergnügen *hüstel*, mal wieder vom Blatt zu spielen – wenigstens, als ich erstmal meine eingerosteten Blattlesekenntnise wieder halbwegs aufpoliert hatte. Höchst vergnüglich war es auch, mit drei Augen alle für den guten Ton nötigen Informationen zu sammeln: Eines der Augen richtet sich aufs Notenblatt, eines auf den Kollegen, der die Einsätze gibt und eines auf das Bühnengeschehen.
Und der Gipfel des Vergnügens war es, dem hervorragenden Ensemble bei der Arbeit zuzusehen. Mehr als einmal habe ich den Einsatz verpasst, weil ich lachen mußte wie ein volles Theater. Apropos volles Theater: Alle Vorstellungen waren ausverkauft oder fast ausverkauft. Was weiter meine Laune weiter gehoben hat, war die Tatsache, daß für vierzehn Vorstellungen nur zweimal auf und abgebaut werden mußte. Und daß ich nur 15 Minuten Fahrt zum Spielort hatte. Und daß das Theaterpublikum nicht die Eigenart hat, einem nach der ersten Pause betrunkenerweise auf die Schuhe zu kübeln, um einem dann in einer Fuselwolke den Arm um die Schulter zu legen und zu erzählen, daß der Sohnemann auch Gitarre spielt. Und. Und. Und.
Blöderweise hat die niegelnagelneue Intendanz für die nächste Spielzeit das komplette kündbare künstlerische Personal gefeuert, so daß ich für das zum Scheitern verurteilte Modell “Ständig Ausverkauftes Haus durch Musical” und somit auch meine Teilnahme daran leider keine Zukunft sehe. Soll heißen: Ich verstehe nicht, warum man einen Kassenmagneten amputiert. Aber so ist das mit der Sicht aus dem Graben heraus. Vielleicht fehlt mir das vierte Auge für die großen Zusammenhänge.
Jedenfalls war ich dabei, als sich dieses Ensemble das Herz aus dem Leib getanzt und gespielt hat, als wäre es das letzte Mal. Weil es eben das letzte Mal war. Und jetzt Schluß mit dem Gesinge.
Dank für die tollen Bilder an Thomas Bachmann
Heute werde ich den alten Dieselpassat wieder einmal nordwärts steuern, zunächst zum Konzert nach Gadenstedt in die ausverkaufte Alte Stellmacherei mit Wulli und Sonja. Danach geht es direkt weiter nach Wolfenbüttel zum Concert for Chris Jones. Für mich ist es mittlerweile das fünfte Mal, und es ist immer wieder eine Ehre und ein außerordentliches Vergnügen, Teil dieses unvergleichlichen Events und Gast des legendären bluenote e.V. zu sein. Soviele nette Menschen und so viel musikalische Kompetenz und Vielfalt auf einen Haufen – das findet man sonst nirgends. Genug der Worte, jetzt wird gepackt und dann geht es ab auf die Straße.
Nun ist es also schon Vergangenheit, mein Gast-Gastspiel als Sub am Theater. Vier Vorstellungen lang durfte ich bei der Produktion „Janis – Peace of my heart“ am Großen Haus des E.T.A.-Hoffmann-Theaters Bamberg den Hippiegitarristen hinten rechts geben – mit Perücke, rosa Weste und allem Pipapo.
Zunächst mal klingt das sehr angenehm. Der Nachteil ist: Wenn alle konzentriert sind, bekommt *jeder* mit, wenn Du Mist baust. Und Mist bauen fängt schon an, wenn Dir in einem wichtigen Monolog lärmend, dröhnend und polternd das Plektrum runterfällt – und dabei die sprichwörtliche fallende Stecknadel übertönt. Mist bauen geht dann weiter, wenn Du nicht weißt, wie Du ohne weitere Kakophonie verursachen da wieder drankommen sollst. Mist bauen wird kritisch, weil der nächste Einzähler schon unmittelbar im Nacken sitzt. Natürlich doch noch Plektren in der Tasche gehabt. Uff. Sehr nett auch: Du wartest gespannt auf ein Stichwort, um Hendrix‘ Starsprangled Banner an der richtigen Stelle zu geben – und wenn das Stichwort dann kommt, bist Du trotzdem vollkommen perplex und fängst erst mal das Steptanzen auf dem Pedalboard an, um den zugehörigen Brachialsound hinzukriegen. Warum nicht vorher? Allein das Grundrauschen des Heldensounds hätte dem vorherigen Monolog die Qualität einer grönländischen Kurzwellenübertragung verliehen. Also besser nicht.
Am ersten Abend habe ich Blut, Wasser, Hirnflüssigkeit und Wasweißichnochalles unter meiner kratzigen Hippieperücke geschwitzt und bin gefühlte 20 Mal knapp an der Katastrophe vorbeigeschrammt. Am zweiten Abend hatte ich dann für die großen Klopper halbwegs vorgesorgt – Instrumentenwechsel vorbereitet, die Einzeltretminen durch einen Multi mit Noisegate ersetzt und so weiter und so fort – und siehe da, nur noch dreimal Kammerflimmern bis zum Vorhang. Am dritten Abend dann hatte ich endlich halbwegs die Muße, mich aufs Stück zu konzentrieren, zu genießen, was die hervorragenden Kollegen der Band und der Mimenfraktion so von sich gaben – und das eine oder andere Schwein fliegen zu lassen. Und wir haben den Laden mal echt gerockt.
Wenn ich *wir* sage, dann meine ich die ganze Crew. Natürlich zunächst mal alle, die auf der Bühne agiert haben, angefangen bei den Janissen Sybille Kreß und Elena Weber. Ich war ja mal echt richtig skeptisch. „Mercedes Benz“ beispielsweise ist als Kristallisationsobjekt der Plärrneurosen von Generationen intonationsdebiler Hobbysängerinnen derart zu Tode geritten, daß ich mir nicht vorstellen konnte, eine „unpeinliche“ Version zu hören. Aber es war nicht nur nicht peinlich, es war großartig. Sybille hat das Ding genagelt. Das Wesen erfasst und überzeugend rübergebracht. Wow. Und Elenas „Sad to be alone“ hat den alten Mann echt gerührt. Fette, fette musikalische Leistung. Chapeau. Nebenbei gesagt handelt es sich hier nicht um Vollzeitjoplinimpersonators, sondern um Ensemblemitglieder des Hauses, für das die Joplin eben nur die aktuelle Rolle ist. Unfuckingbelievable. Toll auch Matthias Tuzar in zahllosen musikalischen Rollen. Wo bitte nehmt Ihr das alles her? Und die Musik ist ja nur ein Teil, die Textpassagen haben mich jeden Abend aufs Neue gefesselt, langweilig war es auch in der Wiederholung nie.
Die *ganze* Crew sind aber auch die Nasen, deren Tätigkeitsbezeichnung ich mir zum Teil erst mal erläutern lassen mußte. Requisiteure (die mich Abend für Abend mit einer Pulle Theaterschnaps versorgt haben), Garderobieren, Schneiderei, Bühnenmeister, Inspizienz, Maskenbildner (die mir engelsgeduldig erklärt haben, daß es ratsam gewesen wäre, das richtige T-Shirt anzuziehen, *bevor* man die Perücke festklebt), Tonmeisterin Anna , die genervte Mucker mit stoischer Ruhe verarztet und einen tollen Job gemacht hat, Marylou, bei der ich bis jetzt nicht wirklich weiß, was genau Ihr Job ist, die aber immer ein gutes Wort hatte, die netten Damen von der Kasse, die mir klaglos meine Freikartenextrawürste gebraten haben – und nicht zuletzt der Getränkeautomat, der nach der Vorstellung ein kaltes Fässla ausgespuckt hat. Das ist mal Niveau.
All diese Leute waren von Anfang bis Ende echt nett zu – und geduldig mit mir. Danke herzlichst nochmal! Und ganz besonders natürlich an die großartigen Grooveschweine von der Band, die mich mit kollegialen Schubsern im Zweifelsfall immer in der Spur gehalten haben – am Baß Michael Schmidt, Drums Joachim Leyh, am gütigen Patriarchat, Keyboard und Gitarre Konrad Haas.
Es war mir ein ganz besonderes Vergnügen, diese vier Vorstellungen mitmachen zu können. Echtedz. Wergli.